Einen Schreibtisch habe ich auch, aber der ist meistens verwaist: Ich sitze viel lieber in der Küche.
Ich arbeite gern in der Küche. Damit meine ich an dieser Stelle nicht das Kochen und Backen, sondern das Schreiben. Mit meinem Laptop sitze ich am liebsten am Küchentisch. Soll man das zeigen oder nicht? Ich finde: Ja. Meinen Kunden rate ich schließlich genauso zur Authentizität.
Ich liebe meine Küche. Sie ist bunt, behaglich und voller Leben. Auf zehn Quadratmetern verkörpert sie meine Lebensphilosophie: Man braucht nicht viel, sondern einfach ein System, das passt. Für mich passt die Küche, weil ich die Energie, die in diesem Raum steckt, in meine Arbeit legen kann.
Es gibt kein Gefühl, das hier nicht schon stattgefunden hat. Außerdem inspiriert mich der Blick aus genau diesem Fenster. Die golden tanzenden Blätter der Linden im Herbst. Die winterliche Gelassenheit der kahlen Bäume, die ihre Nacktheit majestätisch hinnehmen, weil sie wissen, dass sie im Frühsommer wieder in voller Blüte stehen – und alle Autos, die unter ihnen parken, mit einem grünen Zuckerguss überziehen. Es ist, als schlüge man die Jahreszeiten-Wimmelbücher von Rotraut-Susanne Berner auf.
Lichter gehen in den Häusern gegenüber an und aus. Balkone, im Winter trostlos verlassen, im Sommer voller Leben. Fußgänger, die dienstags und freitags zum Markt laufen oder mit grünen Tüten, aus denen Gemüse herausschaut, von dort kommen. Überhaupt: Die vielen Menschen, die hier ihrer Wege gehen. Manche kenne ich vom Sehen seit meiner Kindheit, ohne je einWort mit ihnen gewechselt zu haben. Das ist Köln: fremde Großstadt und vertrautes Dorf zugleich.

Ich mag auch die laute Geräuschkulisse der Kreuzung, an der ich wohne. Das dumpfe Schnaufen der Straßenbahn, wenn sie Fahrt aufnimmt. Kinder, die zum Spielplatz auf dem Auerbachplatz oder in den Beethovenpark laufen. Mütter, die einander etwas zurufen. Das Klappern, wenn mitten in der Nacht der Express-Automat neu bestückt wird. Frühmorgens das vorsichtige Zwitschern kleiner Vögel, das später überstimmt wird vom Kreischen der Krähen, neuerdings auch manchmal vom fröhlichen Geschrei der grünen Papageien. Jede Tageszeit hat ihren eigenen Klang.
Eingebettet in dieses Meer von Inspirationen sitze ich am Küchentisch, sehe aus dem Fenster und schreibe. Hier kommen mir die besten Ideen. Um nichts in der Welt würde ich diesen Platz für einen Büroraum aufgeben.